HEXENJAGD
(Arthur Miller) Thalia Theater Hamburg Regie: Andreas Kriegenburg Dramatugie: Sonja Anders, Anika Steinhoff K r i t i k e n : "Erschreckend, wie viel Lust am Bösen in der jungen Frau steckt. Nicht zu bremsen ist Claudia Renner als Anstifterin der "Hexenjagd" am Thalia-Theater. Mit der explosiven Mischung aus frustriertem Sex, Rachsucht und religiösem Sendungsbewusstsein spielt sie sich ins Zentrum von Andreas Kriegensburgs Inszenierung des Arthur-Miller-Dramas." - Klaus Witzeling, Hamburger Abendblatt in "Menschlich gesehen" - *** "Die Dunklen Seiten der Menschen Brillant ausgeleuchtet - Im Strudel des kollektiven Wahns - Kräftige Bravos übertönten die wenigen Buhs am Ende der Premiere. Das Thalia- Ensemble spielte in Bestform auf." "Mit voller Wucht trifft Andreas Kriegenburgs atemberaubend aggressive Hexenjagd-Inszenierung das Publikum im Thalia. Er spornt in präziser Choreografie des Schreckens die zwanzig Schauspieler zu großartiger Solo- wie Ensembleleistung an, was beim Schlussapplaus viele Bravorufe honorierten. "Im ersten Teil zeigen Regisseur wie Schauspieler phänomenal, wie Eigeninteresse und Hinterlist unter Berufung auf Gott und Glauben zu Willfährigkeit, persönlicher wie staatlicher Willkür führen. "schonungslose Härte", "knallende Peitschenhiebe zerschneiden die Szenen, Atemstöße und Röcheln sind zu hören" "Wie ein Baum wurzelt Alexander Simons präsenter, (zu)packender Proctor im Boden, widersteht aus Gewissenspein und Vernunft dem Sturm, den Abigail aus Liebesgier nach ihm entfacht. Claudia Renner übertrifft sich mit ihrer überzeugenden Studie von Bigotterie und Tücke aus sexueller Obsession. Abigail denunziert Proctors Frau (Judith Hofmann), erpresst die Richter und manipuliert die Freundinnen zu einer Schar verführerischer Lolitas zwischen Kindlichkeit und Niedertracht." - Klaus Witzeling, Hamburger Abendblatt - *** "Junge Puritanermädchen, die ihre sexuelle Lust in einem wilden Nackttanz feiern. Sie werden erwischt und retten sich vor dem Grimm des Dorfes, indem sie so tun, als ob man sie verhext hätte. Nicht sie sind schuld, sondern die Hexer und Hexen. Angst, Neid, Rachlust, kaltes Interesse, Autosuggestion machen aus Salem ein Tollhaus, einen Ort der Inquisition. " "Kriegenburg erhebt das hysterisierte Örtchen Salem zum Weltschlacht-haus, zur Großmetapher: Er will uns zeigen, dass die Hexenjagd andauert, dass menschliche Gesellschaft danach fiebert, Jagden zu feiern. Die Opfer der Hexenjagd hängen an Folterriemen wie Geschächtete. Und am Ende wird jeder hängen. Vitalität ist hier ein Vergehen, Lust eine Krankheit, der Lebenswille ein Skandal. Kriegenburgs Figuren sprechen gern im Chor und wimmeln wie die Tentakel eines großen Kraken." - Die Zeit - *** "Der mit unerschöpflicher Phantasie gesegnete Oberspielleiter Andreas Kriegenburg inszeniert Arthur Millers "Hexenjagd" als großes Ballett in schwarz-weiß, als aktuelle und zugleich ewig-gültige Warnung vor geistiger Erstarrung, gemeinschaftlicher Gewissenlosigkeit und ihrer gesellschafts-zersetzenden Folgen, als da wären Folter, willkürlicher Freiheitsentzug, Mord und Totschlag." "In einem stummen, zehnminütigen Prolog lässt Hexenjagdmeister Kriegenburg zunächst jene Mädchen durchs Zwielicht tanzen und schweben, deren Falschaussagen und Denunziationen später so manche unschuldige, rechtgläubige schottisch-englische Puritanerin als Hexe an den Galgen bringen. Wir hören nur ihr Atmen - der Hauch ihrer Verzückung klingt genau wie der des Todes." "Kriegenburg spielt jetzt in einem Tableau großer Bilder mit ihnen antike Tragödie: Das Ich des ängstlich-verklemmten Pastors Parris (Markwart Müller-Elmau), der seine Nichte verhört, weil er glaubt, sie habe des nachts im Walde Geister beschworen, findet im Chor sein Gegenüber und löst sich später auf in der Angst der chorisch mitsprechenden Meute. Das Ich der verdächtigten Abigail (Claudia Renner) antwortet und verschmilzt mit dem Chor der Freundinnen, die gleichfalls unter Verdacht geraten." "Claudia Renner als Abigail aber rettet gemeinsam mit Alexander Simon, der das Subjekt ihrer Begierde, den John Proctor spielt, bis zum Ende des ersten Teils die Lebendigkeit der Inszenierung, der das gleiche Schicksal wie den Salemschen Puritanern droht: Die Erstarrung in der wohlgeformten Schönheit des Schreckens."- Stefan Grund, Die Welt - *** "Direkt, kraftvoll, energisch ist dieser Inszenierungsstil. Der Regisseur Andreas Kriegenburg entwirft harte, schneidende Bilder mit wuchtiger Energie. (…) Dieser dreistündige Abend lockt seine Zuschauer stets aufs Neue in ein gruselndes Identifizieren, um sie mit den akustischen und visuellen Übergriffen wieder herauszukatapultieren. Jeder Knall sitzt, jedes Bild versetzt die Emotionen in den Schleudergang." "ein Fallbeispiel für blinde Besessenheit, und die lauert überall." "Scharf geschnittene Figuren, die einander verklagen und an den Galgen bringen. Leise Momente sind selten, nie wird es gefühlsduselig. Jedes Wort behandelt das starke Ensemble wie eine bittere Pille. Rau im Abgang, nachhaltig in der Wirkung. Alexander Simon als John Proctor, Judith Hofmann als dessen Frau, Claudia Renner als die junge Abigail sind die erbarmungslosesten Pillenverabreicher. Abgesehen von Andreas Kriegenburg selbst. - Dirk Pilz, Berliner Zeitung - *** "In Salem, einem Städtchen in Massachusetts wurde 1692 der Tanz junger Mädchen im Wald zum Auslöser einer wahnwitzigen Hexenjagd. Bewohner von Salem entdeckten die „Ausschweifung“. Um einer Strafe zu entgehen, gaben die Mädchen vor, dem Teufel begegnet zu sein. Ein Denunziationsreigen nahm seinen Lauf." "Schön zwielichtig und vernebelt ist am Thalia Theater der Mädchentanz. Kriegenburg zeigt minutenlang nur Beine und Leiber, schaukelnd und atmend. Die schemenhafte Choreografie scheint voll geheimer Rituale. Am Ende hängt eines der Mädchen halbnackt und blutend in schwingenden Seilen. Kein Wunder, dass sich das Dorf entrüstet. Bleich geschminkt, mit schwarzem Anzug und Hut schreien von nun an die Ensemble-Herren mit den ebenso vereinheitlichten Ensemble-Damen – allesamt in schwarzen Kleidern (Kostüme: Andrea Schraad) – um die Wette. - Katrin Ullmann, Tagesspiegel - *** "Einer lacht über die Hysterie, die jetzt ausbricht. Da es aber um ihn geht, diesen biederen Freigeist John Proctor, der gleichzeitig das Objekt der Begierde war und ist für die Anführerin der tanzenden Mädchen, und er dieser Gier auch schon nachgab, beginnt mit seinem vernünftigen Einwand die Orgie der Denunziationen, die schließlich das halbe Dorf, auch Proctor, an den Galgen bringen werden. Kriegenburg betont stark die ausserreligösen Motive der Vorgänge, vor allem die wachsende sexuelle Besitzgier von Proctors einstigem Hausmädchen Abigail, das er (oder das ihn) verführte." - Michael Laages, Deutschlandradio - *** "Artur Millers "Hexenjagd" ist ein Stück über Hysterie und Massenwahn und ursprünglich als Kommentar zur McCarthy-Ära geschrieben. Andreas Kriegenburg offeriert am Hamburger Thalia-Theater jetzt eine neue Lesart - und peitscht den ehrwürdigen Text bis an die Grenze des Erträglichen." "Aber was soll auch witzig sein an pubertierenden Mädchen, die aus jugendlichem Überschwang nachts nackt im Wald tanzen, sich von einer schwarzen Dienerin in aufregend heidnischen Ritualen unterweisen lassen, dabei ihre Sexualität entdecken und anschließend sämtliche Familien und Mitbewohner in einen Strudel aus Verleumdung und Tod stürzen! In Hexenjagd geht es Zug um Zug einer ganzen Gemeinde an den Kragen, Guten wie Bösen, und wer will, kann sich die Bezüge selber zimmern." "unter den Mädchen brillieren die junge Lisa Hagmeister und Claudia Renner." - Werner Theurich, Spiegel - *** "Eine wahre Begebenheit: Salem/Massachusetts 1692. Mädchen tanzen nackt im Wald. Als sie entdeckt werden, retten sie sich vor der Strafe durch Verleumdung. 20 Menschen verlieren bei dieser "Hexenjagd" ihr Leben.Ein Chor, der nach Gerechtigkeit schreit und Rache meint. Die Masse Mensch in ihrer bösesten Art. Wer denunziert wird, mit dem Teufel im Bunde zu stehen, kann sich nur retten, indem er gesteht. Am Leben bleibt, wer sich dem System unterwirft. Bis zur Pause fesselt die Inszenierung durch ihre "ausgetanzte" Choreografie. Und durch das Ensemble, das selbst in der "Masse" Herausragendes leistet - wie Claudia Renner, Alexander Simon oder Katharina Matz. - Susann Oberacker, Mopo - *** "Die Dorfmädchen von Salem tanzen exzessiv in völliger Stille im Wald zu den unhörbaren Liedern einer heidnischen Sklavin. Der Pastor des Ortes beobachtet sie, entdeckt auch seine Nichte Abigail Williams (Claudia Renner). Um dem Vorwurf der Teufelsbeschwörung zu entgehen, suchen die Mädchen einen einfachen, aber folgenreichen Ausweg: Sie verraten andere, nennen wahllos Namen von Gemeindemitgliedern, die einen Pakt mit Teufel haben sollen. Eine tödliche Maschinerie läuft an, ein Sondergericht verurteilt und hängt Dutzende. Trauriger Held der Geschichte ist John Proctor, gespielt von Alexander Simon. Er hatte einst Abigail als Magd auf seinem Hof beschäftigt und ein kurzes, leidenschaftliches Verhältnis mit ihr angefangen. Seine kränkelnde Frau Elisabeth (Judith Hofmann) kommt beiden auf die Schliche und wirft das junge Ding hinaus. Nun nutzt das Mädchen den Massenwahn, um Elisabeth aus dem Weg zu räumen, die Welt zu reinigen und John Proctor für sich alleine zu haben. - Hamburg 1 - *** "Insgeheim das Unheil schon ahnend, erzählen die fünf Mädchen anfangs gemeinsam im ängstlichen Ton von den nächtlichen Ereignissen. Ihre Kleider sind schwarz, ihre langen Haare ebenso. Wie sie sind auch die Männer in ihren schwarzen Anzügen kaum auseinanderzuhalten. Die Masse siegt erst optisch, später auch akustisch. (…) entwickelt sich eine Figur aus Fleisch, Blut und Eigensinn. Freilich eine, die sich wie fast alle anderen in Schuld und Sünde verstrickt fühlt. - Simone Kaempf, TAZ - *** "Gleich auch kommt noch ein anderer finsterer Gedanke: Wie gefährlich es werden kann, wenn Macht und Religion zu eng beieinander stehen. Dann ist der Glaube immer auch Versuchung, in seinem Namen höchst egoistische Interessen durchzusetzen. Wie für das Mädchen Abigail, das sich durch die Denunziation der Ehefrau ihres Geliebten zu entledigen, selbst an ihre Stelle zu rücken hofft. Sie ist die gefährlichste, aber auch interessanteste Figur des Stücks. Immer die Außenseiterin, die Verachtete. Eine jener Bühnengestalten, die man eigentlich hassen müsste und sie doch liebt, irgendwie, "Sie hätte einen schärferen Fokus verdient, als ihn Miller ihr zubilligt", sagt Sonja Anders und sieht in ihr sowohl Täterin wie Opfer. "Kein Opfer, nein", widerspricht Kriegenburg: "Männer haben gegen die kaum eine Chance." Auch er als Regisseur nicht: "Ich gebe zu, es ist kaum möglich, ihr gegenüber Distanz zu wahren." Claudia Renner spielt sie in seiner Inszenierung. - Paul Barz, Vorankündigung in der Welt am Sonnatg - |